„For me it’s almost impossible to mention Bowie’s name in the past tense.“
(Annie Lennox’s Tribute an David Bowie bei den Brit Awards 2016)
Heute wäre David Bowie 71 Jahre alt geworden.
Vor zwei Jahren erlag David Robert Jones, wie er mit bürgerlichem Namen heißt, zwei Tage nach seinem 69. Geburtstag, seinem Leberkrebsleiden.
Die Nachricht wurde von seiner Familie erst einen Tag später, am 11. Januar 2016, offiziell bekannt gegeben.
Und irgendwie hatte man an dem Tag das Gefühl, als wäre die Welt stehengeblieben, um inne zu halten, um dass zu verarbeiten, was weltweit in den Nachrichten und sozialen Medien verkündet wurde.
Lange hatte man nichts mehr von ihm gehört. Das letzte, zu dem Zeitpunkt vollkommen unerwartete, veröffentlichte Album, lag drei Jahre zurück. Irgendwie schien es, als ließe er die Welt an seinem Geburtstag teilhaben, als er am selbigen Tag sein neustes Werk „Black Star“ veröffentlichte. Und gerade erst einen Monat zuvor im Dezember 2015 feierte das Musical „Lazarus“ in New York am Broadway Premiere. Das Werk basiert auf dem Film „The man who fell to earth“, in dem David Mitte der Siebziger die Hauptrolle eines Außerirdischen übernommen hatte. Ein Musical, an dem David selber mit produzierte und Lieder komponiert hatte. Zur Premiere war er selber erschienen, lächelte fröhlich mit dem gesamten Ensemble und dem Direktor beim Schlussbild von der Bühne und seine Freude über die Crew und das Werk stand ihm förmlich ins Gesicht geschrieben.
Daher war es für viele seiner Liebhaber seiner Künste und selbst für seine Freunde, eine so vollkommen unerwartete Nachricht über seinen Tod, dass man sie erst einmal gar nicht wahrhaben wollte.
Die Bilder von der Premiere waren um die Welt gegangen. Sie zeigten einen fröhlichen David Bowie, im Kreise eines Ensembles, dass er herzte und schätze. Stolz auf die jungen Schauspieler war in seinem Antlitz zu sehen. Arm im Arm mit ihnen. Lächelnd. Und so stolz. Keiner ahnte, dass dieses Lächeln und dieser Auftritt ihn seiner letzten Kraft beraubte. Er war ein Vollprofi. Schmerz und Gebrechen hatten auf der Bühne nichts zu suchen. Er wollte sich nicht die Blöße geben. Der Abend gehörte dem Theaterstück. Die Krankheit jedoch, die ihm zu dem Zeitpunkt schon so fest im Griff hatte, ließ sich von seinem Willen nicht beeindrucken und forderte ihren Tribut. David brach nach dem kurzen Auftritt bewusstlos hinter der Bühne zusammen. Verließ jedoch danach alleine zu Fuß den Ausgang, um zu seinem Wagen zu gehen. Die Welt sollte nicht sehen, wie es ihm ging. Er war noch nicht so weit.
Knapp einen Monat später erlag er seinem Leiden.
Und die Welt trauerte um seinen Künstler, der irgendwie Zeit seines Lebens sich auf ihr nicht zurechtfand und den größten Teil seiner Jahre damit verbrachte, für sich einen Weg zu finden. Und dabei den Weg für so viele andere ebnete und der temporären Messungseinheit viel zu weit voraus war, als das andere ihm zu dem Zeitpunkt folgen konnten.
Foto: Andrew Kent
David Bowie gilt als Ausnahmekünstler. Musiker, Lyriker, Pantomime, Schauspieler, Maler und Geschäftsmann. Er ging mit einer selbstverständlichen Sicherheit über Grenzen hinweg, als man in einer Gesellschaft lebte, in der Grenzen zum guten Umgang untereinander dienten. Waren sie doch genau die Sicherheit im System, das man überschauen und verwalten konnte. Für alles gab es einen Sinn und ließ sich mit dem Verstand nachvollziehen. Aber David Bowie ließ sich nicht überschauen und verwalten. Und Sinn und Verstand gehen nicht immer Hand in Hand. Schon gar nicht, wenn man ein pubertierender Teenager ist und im Wohnzimmer seiner Eltern den unglaublich großen Umstand genießen darf, sich im Fernseher die britische Musiksendung „Top oft he Pops“ im Jahre 1972 anzuschauen.
Dabei steckt in der so dekadenten Sicherheit ein willensstarkes Konzept, dass David Robert Jones im Alter von neun Jahren beschließt: er will ein Rock’n Roll Star werden. Was auch sonst. Andere Optionen ausgeschlossen.
Er wird in einen für damalige Verhältnisse sehr kontroversen Familienumstand hineingeboren. Seine Mutter und sein Vater waren schon einmal verheiratet gewesen und waren zu dem Zeitpunkt seiner Geburt nicht verheiratet. Das wurde erst drei Monate nach Davids Geburt nachgeholt.
Beide Elternteile brachten Kinder aus vorheriger Ehe mit in die neue Familie. Terry, Davids älterer Bruder, wurde dem Jungen zu einem geliebten großen Bruder und bestem Freund.
Einen Freund und Vertrauten, den David so dringend benötigte. Denn der Schatten seiner Familiengeschichte verfolgte David ständig und er fühlte sich sehr unwohl mit dem Wissen, dass von seiner mütterlichen Seite viele Suizide und psychisch labile Krankheiten die armen Verwandten in, zu damaligen Verhältnissen, menschenunwürdigen Krankenhausaufenthalten einliefern ließ.
Seine größte Sorge, diesem Leiden auch zu erliegen, war seine größte Angst. Eine Angst, die ihn sich als Außenseiter fühlen ließ. Alle anderen Kinder hatten „geordnete Familienverhältnisse“ und David empfand, er wäre außen vor und passe nicht dazu.
Terry war es, der David die ersten Vinyl-Singles mitbrachte. Unter anderem von Little Richard, der in dem so jungen David den Ruf nach Musik weckte. Und der den Schatten, der David stetig begleitete, verdrängen konnte. Allerdings wurde Terry, als David neuen Jahre alt war, zur Armee einberufen und somit war David ohne den hilfreichen Bruder auf sich alleine gestellt.
Und als Terry wieder aus dem Militärdienst heimkehrte, nahm er seinen kleinen Bruder mit in die Jazzkneipen von London’s Soho. David hatte Blut geleckt. Er blieb dem Saxophon Zeit seines Lebens treu.
Allerdings währte das Glück der beiden Brüder nicht lange. Der Schatten der Familienkrankheit holte auch Terry ein und er wurde in eine Anstalt eingewiesen. Somit war David alleine. Und die Angst hatte ihn wieder.
Als dann noch sein bester Schulfreund George Underwood ihm im Jahre 1962 im Gerangel einer kleinen Schlägerei um ein Mädchen, seine Faust ins Gesicht schlug, die Davids linkes Auge traf; und David somit Notoperiert werden musste, brachte ihn diese Operation wieder einen Schritt weiter in die Richtung anders als andere zu sein. Zwar vermochte die Operation seine Erblindung des rechten Auges beheben, aber seine Pupille würde fortan geweitet sein. Die nächsten drei Monate konnte David daraufhin nicht zur Schule und musste daheim verbringen, um wieder zu genesen. Wieder wurde er aus einer Umgebung herausgerissen, wieder fühlte David sich ausgeschlossen. Nicht dazu gehörend.
In dieser Zeit vertiefte er sich immer mehr und mehr in die Musik. Wenn das reale Leben ihn nicht teilhaben ließ, vergrub er sich eben zwischen selbst geschriebenen Musikstücken und seinem Saxophonspiel. Und damals formte er seinen größten Traum: er würde ein Musical schreiben.
Irgendwann einmal.
(Irgendwann würde zu 2015 werden)
Der Umstand sich so feinfühlig mit seinem „Leid“ auseinander zu setzen und dem Gefühl sich ständig ausgeschlossen zu fühlen, entwickelte sich zu einer bemerkenswerten Eigenart, die David’s Nachlass noch heute ehrt: Mitgefühl und Sorge für die Minderheiten unserer Gesellschaft.
Und so fand sich David mit seiner Band „The Manish Boys“ Jahre später in ihrem ersten Fernsehauftritt im Jahre 1964 wieder und er warb dort sogleich für seinen neugegründeten Club „The Rebellion Society fort he prevention of cruelty for longhaired men“. Für uns heute unvorstellbar, aber die damaligen „langen Haare“ Herren der Gesellschaft war vielen ein Dorn im Auge. Anstand und Moral gingen mit jedem Zentimeter Haar immer weiter den Bach hinab und man liebte es doch die Kontrolle über alles zu haben. Und viele der Langhaarigen wurden körperlich angegriffen. Dem musste David etwas entgegen setzen und auf diesen Umstand aufmerksam machen.
Kurze Zeit später verließ Davids große Liebe ihn für einen anderen, ein Vorfall, der den jungen sensiblen David so zermürbte, dass er sich in die Schauspielerei flüchtete. So lernte David den Pantomimenlehrmeister Lindsay kennen. Und lieben.
David hielt an seinem Plan fest, Rockstar zu werden und wenn schon kein Geld zum Rockstardasein vorhanden war, konnte man zumindest zu tun, als ob. David kaufte sich eine alte viktorianische Villa, die „Haddon Hall“, die er im Monat für 16 britische Pfund mieten konnte und hauste sich mit seinen Freunden dort ein. Schließlich ist Schein eine sehr große Kunst des Musikbusiness. Und David lernte sie zu perfektionieren.
Sein neuer Manager Toni de Vries und seine neue Freundin Angela ermutigten David zu noch weiteren Schritten, was das Ausleben und Ausspielen des Schein angeht. Fortan trug David auch Frauenkleider. Und mit guten Freunden an seiner Seite, die zudem noch sehr gute musikalische Fähigkeiten mitbrachten, entwickelte David die Vorliebe als fiktionaler Charakter aufzutreten. Die fiktionale Figur gab David Sicherheit. Und mit dem Gitarristen Mick Ronson an seiner Seite hatte David den perfekten Partner in seinen Bühnenshows, der seinem fiktiven Charakter Halt gab.
Mick Ronson, der Gitarristen wie „Slash“ dazu bewog, Gitarre spielen zu lernen, als dieser die live Performance von Mick im Ziggy Stardust Film sah, wie er „Moonage daydream“ zu dem wohl ersten Gitarrensolo der Welt machte, dass fern ab des Originals war und erst später zu den gängigen abgewandelten Soli in bekannten Hardrockbands werden sollte, blieb leider fern seines Lebens immer als „unterschätzter“ Gitarrist der Rockgeschichte. (daher bieten wir ihm hier gerne eine Plattform)
David perfektionierte die Fiktion.
Foto: unknown
Ziggy Stardust war für David perfektes Schutzschild seines sensiblen Ichs.
Allerdings fraß Ziggy David auf und ließen keinen Raum mehr für David Bowie. David verlor sich immer mehr, er versuchte Ziggy im Sommer 1973 zu Grabe zu tragen, aber Ziggy nahm einfach die Züge von Alladin Sane an. Die Wortspielerei ist gewollt: a lad insane war der bizarre Zustand, aus dem David nicht mehr herausfand. Die Welt feierte Ziggy Stardust, aber nicht den Musiker David.
Sich und seine Gesundheit außer Acht lassend, strebte David Mitte der Siebziger mit der „Diamond Dogs“ Tournee neue Bühnenshow-Maßstäbe an, die damals fern jeglicher Vorstellung waren. Heute gehören sie zum guten Ton eines jeden großen Solokünstlers. David führte Drama, Tänzer und Theater schon damals mit in seine Vorführungen, dass Auftritte wie „Cracked Actor“ einer Hamlet-Aufführung glichen.
Fern von jeglicher Vorstellung waren allerdings auch die Kosten der Tournee. Der Manager von David ließ den Musiker damit aber außen vor. David vertraute seinen Mitmenschen, mit denen er sich auf Tournee umgab und hatte durch die Hand seines Managers Freiraum für seine Kreativität. Er vertraute Toni blind. Fast kindlich naiv unterschrieb er in seinem bedingungslosen Vertrauen alles. Um sich dann zur „Diamond Dogs“ Tour damit konfrontiert zu sehen, dass die Tournee mehr Ausgaben denn Einnahmen hatte. Sein Konzept von der künstlerischen Bühnenshow sprengte den Rahmen. Wurde zudem nicht rechtens von Managerseite betreut. Und somit war David mit 27 Jahren auf dem Höhepunkt seiner Karriere und pleite. Er wußte nicht einmal mehr, wie er die Miete zahlen sollte.
Für David war die Gleichung einfach: er müßte noch härter arbeiten, um finanziell bestehen zu können. Das Pensum fraß ihn auf und bald floß das Geld mehr und mehr in Drogen und … Milch.
Davids „weiße Phase“ kostete ihn fast das Leben. Die Drogen ließen ihn zu auseinanderfallen wie einst Ziggy.
Seinen Frust über das Musikgeschäft verfasste David in Textform und komponierte ihn zusammen mit seinem Freund John Lennon: „Fame“ heißt der Song, der die Schattenseite jenes Umstandes beschreibt. Die Zusammenarbeit wirkt sich nicht nur in künstlerischen Sicht gut für David aus, auch nahm ihn John zur Seite und gab ihm Tipps, aus dem Vertrag mit seinem Manager der Vries auszusteigen. David schafft es dann auch, sich aus dem Vertrag zu lösen. Allerdings nicht ohne Nebenwirkungen. Erst Jahrzehnte später, als David Mitte der Neunziger an die Börse ging, hatte David so viel Geld, um sich vollends von Toni de Vries freikaufen zu können.
David redet über seine Harte Schule das Musikgeschäft zu erlernen ganz frei. Und sehr viele Musiker nach ihm, sind ihn für diese Lehre dankbar.
Im Jahr 1975 kosteten die Drogen David fast das Leben. Er verlor den Kontakt zur Außenwelt. Wurde fast paranoid. Zu dieser Zeit drehte David den Film „The man who fell to earth“. Es ist ein schon fast trauriger Umstand, dass man nicht das Gefühl hat, als würde David dort seine Schauspielkunst zeigen. Vielmehr sehen wir einen David Bowie, der sich selber spielt. Eine Gegebenheit, die diese Sicht noch verstärkt, ist die Tatsache, dass David in dem Film nicht nur seine eigenen Klamotten trägt (bis auf die Alienanzüge), er hat auch seinen eigenen Fahrer samt Limousine dabei, die im Film auftauchen. Eine bittere Erkenntnis mehr, dass dieses Zeitdokument entweder eine brillante Filmleistung ist oder eine böse Dokumentation von Davids wahrem Verlust seiner selbst.
Im Jahr 1976 weiß auch David, dass er etwas ändern muss und begibt sich über die Umwege der Schweiz letztendlich nach Berlin, um dort durch einen kalten Entzug in Mitten von Europas Drogenkonsumstadt Nummer Eins, clean zu werden.
Dort kreiert er mit dem Produzenten Toni Visconti und dem Deutschen Eduard Meyer (Soundtechniker) im Studio Zwei der Hansa-Studios nicht nur die berühmte „Berlin-Triologie“, er produziert auch zeitgleich zwei von Iggy Pops erfolgreichsten Soloalben: „The Idiot“ und „The Passenger“.
Berlin wurde nicht nur zu Davids kreativsten Phase, er schaffte es dort auch endlich, wirklich clean zu werden. Wenn auch nach mehreren Versuchen. Berlin rettete David das Leben.
Im Jahr 1977 starb Davids guter Freund Marc Bolan bei einem Autounfall.
David, der Marc beim gemeinsamen Streichen des Büros ihres damaligen gemeinsamen Managers Ende der sechziger Jahre kennengelernt hat, war zutiefst erschüttert über den Verlust des Freundes. Er nahm an seiner Beerdigung teil und hatte wohl durch den anonymen Aufenthalt in Berlin nicht mehr daran gedacht, welche Auswirkungen seine Anwesenheit haben könnte. David wurde von Fans an Marcs Grab umlagert, sie ließen ihn nicht in Ruhe trauen und somit verließ David überstürzt die Beerdigung. David nahm sich der hinterbliebenen trauernden Freundin samt Kind an und unterstütze beide finanziell.
Drei Jahre später, als David als Theaterschauspieler in New York am Broadway Theater sehr gute Erfolge in dem Stück „The elephant Man“ machte, wurde ihm erneut ein sehr geliebter Freund aus den Händen gerissen. John Lennon wurde erschossen. Nur wenige Tage später endete Davids Vertrag am Broadway Theater, die aber bereit waren, den Vertrag noch weiter auf Grund des guten Erfolgs zu verlängern. David lehnte ab und flüchtete regelrecht mit seinem Sohn in die Schweiz. Nur fern ab von New York, der Stadt, in der er John Lennon als guten Freund verlor. Statt seine eigene Trauer zu verarbeiten, kümmerte er sich aufopferungsvoll um die Witwe von John Lennon, Yoko Ono und ihrem kleinen Sohn.
Keine zwei Jahre später beging Davids geliebter Bruder Terry Selbstmord. David hatte über all die Jahre hinweg immer Kontakt zu seinem Bruder gehalten. Für ihn war Terrys Tod so unfassbar, dass es Jahre brauchte, bis er seinen Tod verarbeiten konnte. David verarbeitet seine Trauer in dem Song „Jump“ vom Album „Black tie, white noise“ (1993) Terry hatte sich aus dem Fenster zu Tode gestürzt.
1984, statt zu trauern, steckte David seine ganze Arbeit in das Projekt von Bob Geldorf, der gerade das Projekt „Band Aid“ in Angriff nahm.
David regte Geldorf an das Musikvideo mit den Szenen aus den afrikanischen Hungergebieten zu versehen, „Die Leute müssen sehen, um was es geht.“ Mit dieser Einstellung kürzte David auch sein Live-Set, als er beim „Band Aid“ Konzert im Wembley Stadion neben vielen anderen großen Künstlern im Sommer 1985 auftrat. David war es wichtiger, dass die Menschen gezeigt bekamen, um was es geht und kürzte lieber seine Setlist, damit das Video vor Ort gezeigt werden konnte.
David fühlte sich immer noch verloren, unstetig, getrieben. Er hatte zu viele Verluste einstecken müssen. Die dunkle Seite des Lebens hatte in regelmäßigen Abständen an seine Türe geklopft und David hatte irgendwann nicht mehr die Kraft, die Türe zu schließen.
Nachdem die Liebe es nie gut mit ihm meinte, der Tod ihn stets höhnisch ins Gesicht lachte und er alles verlor, was ihm wirklich lieb und teuer war, trat 1992 dann auch endlich jemand in sein Leben, der die Türe samt all der Schatten, die vor ihr lauerten, schließen und vertreiben konnte.
1992 ließ David auch wieder die musikalische Zusammenarbeit mit Mick Ronson zumindest für einen Song auf seinem nächsten Album aufleben. Eine Zusammenarbeit, die Dank der Videomitschnitte zeigte, wie sehr David Mick vertraute. David summte Mick den Song vor. Es gab noch keine Gitarren-Parts zu dem Stück. David überließ Mick vollkommen die Führung, er vertraute dem Gitarrenspiel seines Freundes blind. „Ich brauche ihm nicht zu sagen, was er tun oder machen soll. Er macht das perfekt alleine. Er weiß, was er tut. Ich bin in sicheren Händen bei ihm.“
Im Sommer 1992 spielt David im Rahmen des „Freddie Mercury Tributes“. An seiner Seite hat er Mick Ronson. Als er zusammen mit den restlichen Queen-Mitgliedern, sowie Ian Hunter und Mick sein Set absolviert hat, nutzt David die Gelegenheit, um eine paar Worte zu sagen.
Es sind Worte, die an alle die Lieben erinnern, die man verloren hat. Dann das schier Unfassbare während des Rockspektakels vor tausenden vor Zuschauern live vor Ort und an den Fernsehern: David kniet sich auf die große Bühne und betet vor allen das Vaterunser. Das komplette Wembley Stadion wird während seines Gebets ganz still. Es ist mehr als ersichtlich, dass David nicht nur Freddie und anderen Freunden gedenkt, aber in erster Linie um den, den er immer noch am meisten vermisst: seinen Bruder. Weinend verlässt er die Bühne.
Kein Jahr später stirbt Mick Ronson an Leberkrebs.
David ist am Boden zerstört. Kann sich nur telefonisch unter Tränen bei Micks Frau melden. Er nimmt nicht an seiner Beerdigung statt. Vermutlich, weil er ein ähnliches Aufsehen wie einst zu Marc Bolans Zeiten vermeiden möchte.
Als David im Jahr 2002 auf Tournee ging, betonte er immer wieder mit einem so wunderbaren ehrlichen Lächeln, dass er keine fiktiven Charaktere mehr benötige. Der Mann, der da oben auf der Bühne stehe, sei er selber.
Und in dieser glücklichen Zeit, mit sich selbst und allem im Reinen, klopft das Schicksal wieder an Davids doch so gut abgesicherte Türe. In Form eines Herzinfarktes beim „Hurricane Festival“ im deutschen Scheeßel. David bricht nach dem letzten Song hinter der Bühne zusammen.
Der Auftritt beim Hurricane Festival sollte sein letzter öffentlicher Konzertauftritt werden.
Erst im Jahr 2013 meldete sich David mit dem Album „The next day“ zurück.
Mit der Singleauskopplung „Where are they now“ – als Hommage an seine Zeit in Berlin. Die mit diesem Song erst wirklich verdeutlicht, wie wichtig ihm seine Zeit in der Stadt gewesen sein muss.
Foto: Steve Schapiro
David bekommt seine Krebsdiagnose Mitte 2014. Mitte 2015 sieht es so aus, als würde die Krankheit überstanden und besiegt sein. Im Herbst 2015 erhält David dann die erschlagende Diagnose, dass es einen Rückschlag gab. Er habe nur noch wenige Wochen zu leben.
In seinem letzten Video „Lazarus“ bringt David Bowie noch einmal alles Können an Hommage auf, wer und was ihm lieb und wichtig in seinem Leben war. Das Video ist praktisch eine Art Danksagung. So beinhaltet das Video Anspielungen auf seinen Charakter aus dem Film „Der Mann, der vom Himmel fiel“, sowie liebevolle Anspielungen an seinen einstigen Pantomimenlehrer Lindsay. Auch an Fotografen, die David Zeit ihres Lebens auf bestimmten Stationen begleitet haben, bietet David in dem Video eine Hommage.
Allen voran aber, ist der Name des Albums selber wohl die größte Hommage und Danksagung an einen lieben Freund, der Ziggy, egal was Ziggy auch trieb, treu an seiner Seite stand: sein ehemaliger Gitarrist Mick Ronson. So entspricht die Unicode-Zahlenfolge des entsprechenden Symbols (★: U+2605) dem Geburtstag von Bowies früherem Gitarristen Mick Ronson (26. Mai) außerdem ist eine „black star lesion“ ein Anzeichen für eine Krebserkrankung.
David Bowie hat seinen Tod genutzt, um Danke zu sagen.
Foto: Andrew Kent
David Bowie war immer mehr als nur Musiker, Künstler oder Schauspieler war: er war ein wundervoller Mensch mit einer so wunderbaren Seele. Ein Mensch, der viele dunkle Phasen in seinem Leben durchstanden hatte. Jemand, der ganz britisch, vielleicht auch manchmal ungesund zu britisch, immer Gentleman blieb, der nie mit lauter Stimme sein Recht einforderte, sondern immer seinen Intellekt nutzte. Ein Mensch, der einen so herrlichen Humor besaß und dessen erschlagendes Lächeln entwaffnend war. Ein Mensch, der seine eigenen Bedürfnisse hintenan stellte und andere Mitmenschen in den Mittelpunkt stellte ohne dafür etwas zu verlangen. Am Ende ist und bleibt es mein Respekt vor diesem so bescheidenen Mann. Für den ich mich so unendlich freue, dass er die letzten Jahrzehnte seines Lebens so glücklich verbracht und endlich die Liebe erfahren hat, nach der er sich in seinem Leben immer so sehnte und an die er, aufgrund trauriger Vergangenheit, schon gar nicht mehr glauben wollte.
Filmdokumentation-Tipps:
„Sound and Vision“ und „Cracked Actor“ (leider vergriffen. Auf Youtube noch in Originalton verfügbar)
Buchtipps:
Mick Rock. The Rise of David Bowie, 1972-1973
ISBN-13: 978-3836560948
Chris Welch: David Bowie: Ein Leben in Bildern
ISBN-13: 978-3958433250
Autor: Marén din Amargh
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